„Baldingers Porträt nimmt eine Position zwischen Gegenständlichkeit und Ungegenständlichkeit ein. Die Lesbarkeit des Porträts setzt eine genaue Kenntnis des Vorbildes voraus, der Individualität des Porträtierten. Gleichzeitig verschwindet diese in der groben Rasterung allmählich.
Nur anhand unseres Assoziationsvermögens bleibt das Bild lesbar. Ohne Anhaltspunkt oder die Möglichkeit, den ?richtigen? Standpunkt einnehmen zu können, löst sich der Zusammenhang vollkommen auf, das Bild wird anonym, abstrakt. Dies deckt sich mit den wahrnehmungspsychologischen Beobachtungen Ernst Machs.
Was sehen wir wirklich, und was stellen wir uns vor? Den Prozess der Erinnerung und der Assoziation von Farben und Formen beschreibt Mach so: „Wenn zwei Tonfolgen von zwei verschiedenen Tönen ausgehen und nach denselben Schwingungszahlenverhältnissen fortschreiten, so erkennen wir in beiden dieselbe Melodie ebenso unmittelbar durch die Empfindung, als wir an zwei geometrisch ähnlichen, ähnlich liegenden Gebilden die gleiche Gestalt erkennen.“
Die Reihung der Quadratformen und ihr Ornament erwecken auch eine andere Assoziation, die mit Beethoven direkt verbunden werden kann, nämlich die eines Analogons zur Symphonie. Fehlt der Bezug zum mehr und mehr verschwindenden Porträt, zur Inhaltlichkeit, vermittelt die immer gröbere Rasterung den Eindruck eines ungegenständlichen Bildes, rein aus Formen und Farben gebildet, die zu den ausschließlichen Bedeutungsträgern werden.
Welche Herangehensweise ist die nun richtige? Wie muss das Kunstwerk betrachtet werden? Wer sich diese Fragen stellt, dem sei die empirische Methodik empfohlen, die Erfahrungen, welche man in der Natur gewinnt, in deren Farben, den Parks und deren Kunstformen, dem theoretischen Konstrukt entgegenstellt. Hier wären wir dann wieder im Wien der Jahrhundertwende angekommen, beim Empiriokritizismus Ernst Machs, dessen Schriften die Kunstschaffenden der Zeit nachhaltig beeinflussten.
Mit der Ambivalenz, die Individualität eines Porträts und zugleich den Verlust derselben durch die grobe Rasterung zu zeigen, schafft Baldinger eine Metapher der Mediengesellschaft, die mit ihrem Überangebot an Bildern das individuelle Einzelporträt in eine, unüberschaubare Menge einreiht.“
Alexander Klee
Podcast
Elisabeth J. Nöstlinger-Jochum, vom Podcast wissensART.at, über Kunst und Künstler Peter Baldinger: