(…) Johann Schwarz führt mit seiner Arbeit sowohl in die Medien- und Bilddebatte wie in die Wahrnehmungs- und Körperdebatte. Indem er Porträtfotos aus dem Internet heranzieht, sammelt er Daten, er reproduziert und konserviert, stelltsich in den Kontext der Spurensicherung und löst einen Erinnerungsvorgang aus. Wie viele Künstler, erfindet Schwarz seine Bilder und seine Bildzeichen nicht selbst, sondern betrachtet und überliefert von anderen geschaffene Bilder. Schwarz repräsentiert ein Kunstprinzip, das nicht auf das Neue, bisher Ungesehene abzielt, sondern Zeitgeschichtliches wie schon ferner Zurückliegendes — jedenfalls aber Historisches — aktiviert. Sein Bewusstsein als Künstler ist das eines sich Erinnernden, Bewahrenden, Aufzeigenden. Schwarz nimmt eine Position ein, in der er an der Bildentstehung nicht direkt teil hat — er bereitet vor und lässt das Bild — das Abbild — in der Folge durch den chemischen Prozess von selbst entstehen. Auch nach Jahren im Umgang mit seiner Technik spricht Schwarz vom experimentellen Charakter des jeweiligen Entstehens: Das durch den Gerbvorgang einst haltbar gemachte Leder befindet sich in chemischem Gleichgewicht.
Durch das Aufbringen von Eisenpulver in Form der Rasterpunkte auf das in Wasser eingeweichte Leder in Verbindung mit Gerbsäure entsteht ein Oxidationsprozess — die dunklen Pigmentpunkte entstehen. Gleichsam ein Akt der Beschwörung liegt dem Prozess inne, bis die Anordnung der Bildpunkte nach dem Diffundieren des „Färbemittels“ einer Vision gleich an der Oberfläche des Leder sichtbar wird. Etwas Wundersames, Zauberisches, Alchemistisches scheint den Arbeiten anzuhaften. Die Werke von Johann Schwarz sind nicht alleine „Abbilder“ und „Abdrucke“ einer gerasterten Fotovorlage, sondern auch als Zitate zu verstehen. Wenn der Künstler, auch ein Bild mit dem Motiv des Turiner Grabtuches geschaffen hat, so wird spätestens anhand dieses Werkes deutlich, dass Schwarz bewusst mit der Wirkung und dem Begriff der Abdrucksreliqiue operiert und die Assoziation zur „vera icon“, dem „wahren Abbild“ hin leitet. Wie im Grabtuch oder im Schweißtuch der heiligen Veronika, in dem sich das Antlitz Jesu naturgetreu abgedrückt haben soll und in der Behauptung der Legende nicht von Menschenhand gemacht wurde, zitiert auch Johann Schwarz einen Vorgang, der außerhalb seines Tuns liegt. Wie bei den alten heiligen Bildern, die durch den Willen des Volkes wahr wurden, stellt sich auch in den Abbildern von Johann Schwarz die Frage nach dem Wahren in diesen Gesichtern, was geben die fragmentierten, aufgelösten Gesichter preis, was liegt in den Leerstellen zwischen den Bildpunkten verborgen.
Gudrun Weinzierl